Kurze Antwort: Ja, natürlich – aber wenn dann schon mit Spaß, Ahnung und Elan!
In der aktuellen Ausgabe „Juni bis September 2015“ (PDF) der Kirchenzeitung des Evangelischen Kirchenbezirks Tübingen „Kirche in der Stadt“ (KidS) wird auf Seite 2 beim „Pro und Contra“-Bereich die Frage aufgeworfen ob die Kirche auf Facebook präsent sein soll. Es wird ein langer Beitrag hier werden..
Eigentlich eine normale und wichtige Frage – und woanders und schon seit vielen Jahren und in vielen Blogs wird darüber diskutiert und sich ausgetauscht, z.b. bei meinem früheren Arbeitskollegen Ralf Peter Reimann auf TheoNet zum Beispiel, der im Gegensatz zu den Leuten von „Kirche in der Stadt“ auch Ahnung von Kirche und sozialen Medien und Öffentlichkeitsarbeit hat. Ralf Peter und viele weitere in der Netzwelt verbundenen Menschen mit kirchlichem Hintergrund und Arbeitsgebiet tauschen sich darüber seit Jahren. Es gab dazu etliche Kirchenbarcamps oder Konferenzen (z.B. kirchehoch2), Onlineabendgottesdienste, auch Online-Mitwirken bei Kirchentagen oder speziellen Ereignissen und ich beobachte interessiert den Dialog den es auch von Seiten der EKD oder EKiR oder EKHN gibt. Nur in Tübingen anscheinend scheint die Weiterentwicklung und der Spaß am neuen Dialog mit Menschen via Facebook, Instagram, Twitter etc entweder nicht verstanden oder angekommen zu sein. Seit etlichen Jahren und viel früher habe ich in Tübingen versucht die evangelische Kirche in Tübingen und den Bezirk online fit zu machen, aber bisher war das vergebene Liebesmühe, zumindest sehe ich die Onlineaktivität seit meinem Wegzug auch bei der Stiftskirchengemeinde sinken. Und ich glaube seit über einem Jahr kann ich auf Facebook nicht mehr die Tübinger Kirchenbezirks-Facebookseite kommentieren. Ich scheine dort weiterhin geblockt worden zu sein, weil ich mal was kritisch hinterfragt hatte – nun gut, kann man machen ist man aber halt k…e. Auf damalige Rückfragen hin wurde nicht richtig geantwortet – aber verarschen kann ich mich auch alleine.. Ich weiß jetzt nicht, ob sich dieser Zustand geändert hat, ist mir auch egal, die Facebookseiten des Kirchenbezirkes waren sowieso langweilig und nicht wirklich interaktiv/kommunikativ, ich habe sie nur wieder wegen diesen Blogbeitrages besucht. Also aber auf diesen Punkt kann ich weiter später eingehen.. Keine Sorge, es gibt auch richtig gute Beispiele von Onlinearbeit von Kirchen – nur nicht in Tübingen oder im Tübinger Kirchenbezirk.
Zurück zum eigentlichen Inhalt von „KidS“ – „Soll die Kirche auf Facebook präsent sein?“
Eingescannter Beitrag:
Die Antwort ist ja. Weiterhin. Zumindest wenn man Menschen erreichen und sich mit ihnen austauschen möchte, die nicht ständig sonntags die Zeit finden in die Kriche zu kommen oder die Angebote unter der Woche wahrnehmen können oder weil es auch keine Angebote für ihr Interessensspielraum gibt.
Bei dem „KidS“-Artikel stoßen mir viele Punkte auf:
Auf das Thema des Datenschutzes bei Facebook wird nicht näher eingegangen, die Annahme wenn Menschen sich die Facebookpräsenz anschauen würden, ohne das sie bei Facebook angemeldet wären, reicht an Datenschutz hat weder Facebook noch die Technik und die Risiken dahinter verstanden. Aluhut/Datenschutz-Gefahr: Das Besuchen von Inhalten auf Facebook wertet Facebook auch so aus, über Cookies und andere Techniken ist das möglich und Facebook und andere Firmen können trotzdem das Surf- und Benutzerverhalten analysieren und protokollieren. Nebenbei, die Idee bei Facebook und deren Seiten mit „Fans“ ist doch die eigentliche Interaktionsmöglichkeit. Möchte man diese nicht auf Facebook, so richtet man sich die selber auf der Website ein über Kommentarbereiche – und kann damit den deutschen Datenschutzbestimmungen gerecht werden und damit werben. Könnte man, aber dies wird nicht mal in Betracht oder in Versuchung gezogen seitens des Kirchenbezirks Tübingen. Weil man sich ja da auskennen und Dialog betreiben müsste. Obwohl das ja das eigentlich „evangelische“ daran wäre…
„Gut evangelisch“
Der Pressepfarrer findet, die Kommunikationssturktur auf der Kirchenbezirksseite sei „gut evangelisch“. Was meint er wohl damit? Darauf wird nicht näher eingegangen. Ich als Leser stelle mir dann vor, das auf den Facebookseiten reger Austausch über kirchliche Themen oder Inhalte stattfinden und das der Evangelische Kirchenbezirk Tübingen Menschen über Facebook erreicht, die er sonst nicht erreichen würde. Stellt man sich mal vor. Ist auch nur eine Vorstellung. Der Facebookauftritt ist peinlich und langweilig. Ich habe mal gesucht und Dialoge gefunden (und dabei festgestellt, das ich weiterhin vom Kommentieren der Beiträge gebannt oder nicht freigeschaltet bin, das ist kein „technischer Defekt“…). Allerdings sind es Dialoge die nichts kirchliches oder thematisches vorzweisen haben.
Beispiel 1:
Beitrag der Seite von 18. November 2014 ist? Screenshot, Stand: 01.06.2016, 17:44 Uhr. In dem Beitrag geht es um eine Torte. Aber inhaltlich wird dazu nicht kommentiert. Ist das „gut evangelisch“? Ich hätte mir da mehr inhaltlichen Dialog gewünscht, vielleicht mehr Inhalt zur Bezirkssynode, immerhin wird daraufhin verlinkt.
Einen Tag später dann der Beitrag über das „ePaper“-Angebot, also die Möglichkeit die bisherigen digitalen Ausgaben von „Kirche in der Stadt“ mit dem coolen Namen „ePaper“ anzupreisen – hier könnte die Kirche doch im Dorf bleiben und eher einen Newsletter anbieten, in dem einfach ein Link zum Download der PDF-Datei angeboten wird. Das Wort ePaper hat bei mir und vielen anderen einen faden Beigeschmack. So wie Tagblatt Online. Bäh…Immerhin fanden den Beitrag 2 Personen gut. Und er wurde kommentiert.
Selbst die Weihnachtsgrüße waren – sagen wir trostlos – und anscheinend niemand online der „Gefällt mir“ hätte klicken können…
Nicht gleich sofort ersichtlich ist dann ein Beitrag als Blogbeitrag zu verstehen, der am 26. März online gestellt wurde – es geht hier um den Flugzeugabsturz des Lufthansafluges in Frankreich, inhaltlich werde ich da nicht darauf eingehen, also bezüglich des Unglückes. Bei dem Facebookbeitrag gab es ein wenig mehr Interaktion. Hier der Screenshot:
Selbst bis heute 1. Juni, kein Beitrag oder Fragen ob jemand zum Kirchentag nach Stuttgart fährt, keine wirkliche Dialogbereitschaft, kein wirkliches Facebook-Verständnis. Wer Menschen auf Facebook erreichen und sich mit ihnen unterhalten und austauschen möchte, sollte auch (fast) wie Facebook leben. D.h., auch die Schattenseiten wie den ungenügenden Datenschutz in Betracht ziehen oder vor Missbrauch im Onlinebereich warnen – aber auch die Möglichkeiten der schnellen Verbreitung (z.B. des Evangeliums) nutzen und wahrnehmen. All dies passiert in Tübingen nicht. Leider. Aber der Pressepfarrer erklärt das sei „gut evangelisch“. Ich habe da eine andere Auffassung. Zum Glück gibt es andere Möglichkeiten, wie die Angebote von evangelisch.de, chrismon, Offene Bibel, Kirchen/Orgelmaus – die Interaktion auch verstehen und leben.
Die Facebookseite des Kirchenbezirkes Tübingen hat bisher nur 233 „Fans“ – bei 86.000 Christinnen und Christen im Kirchenbezirk lebend… Erfolg sieht anders aus.
Weiter im Text… 😉
Abholung der Leute durch die Kirche
Es wird gefragt ob die Kirche die Leute (ich hätte da eher Menschen eingefügt) da abholen soll, wo sie sind und niederschwellig erreichbar sein soll? Ich finde eine rhethorische Frage. Im Artikel gibt es da folgende Antworten:
- „Ja, wenn sie nur ein Sozialkontakt-Vermittler oder ein besserer Terminkalender sein will oder nur niederschwellige Plaudereien anzubieten hat.“
Bitte was oder wie? Soll das jetzt auf Facebook-Seiten oder Internetauftritte der Kirchen verstanden werden? - „Nein aber, wenn sie Inhalte von Wert hat, und erst recht nein, wenn es um sehr persönliche Dinge geht. Die Präsenz der Kirche, ihre Erreichbarkeit, spiegelt einen geschützten Raum vor, der im Netz einfach nicht garantiert werden kann.“
Wer so denkt, hat noch nie Onlinegottesdienste oder online Beratungshilfen in Anspruch genommen, sich wirklich inhaltlich damit auseinander gesetzt und sich mit PfarrerInnen die sowas anbieten nicht unterhalten. Gerade diesbezüglich hat Ralf Peter auch gebloggt, ich empfehle den Beitrag zu lesen: http://theonet.de/2015/05/20/virtuelle-kirche-online-gemeinde/
Natürlich sollte Facebook kein Ersatz für einen menschlichen und physikalischen Umgang mit Seelsorgern oder Pfarrern haben, aber es ist eine Möglichkeit sich darüber auszutauschen und wer sagt denn, das Kirche an einem Ort sein muss? Auch darüber hat Ralf Peter geschrieben.
Kirche ist nicht gleich Kirche
Nur weil online keine Kasualien ausgetauscht werden können (vielleicht aber dann bald mit Replikatoren und 3D-Druckern..), heißt das nicht, das Kirche nicht auch online stattfinden kann. Ich persönlich kenne beide Seiten, ich habe jahrelang ehrenamtlich für die Stiftskirchengemeinde Tübingen gerne gearbeitet – und auch beruflich später dann die anderen Seiten kennen gelernt, auch bin ich darüber sehr froh – und auch darüber, das ich online mit anderen Christen gemeinsam Abendmahl feiern kann – ja, auch wenn ich alleine vor dem Rechner sitze, so zelebriere ich zeitgleich mit vielen anderen Menschen an unterschiedlichen Orten das Abendmahl – es ist nur ein Ersatz, weil ich bisher in Frankfurt noch nicht wirklich Anschluss an die Gemeinde finden konnte. Und auch so komme ich mit anderen Menschen durch Facebook ins Gespräch, gerade wenn es um christliche Themen geht. Und das ist auch gut so und ich finde weiterhin sehr wichtig. Und ausbaufähig.
Zum Schluss des Textes steht was von „anbiedern“ – ich finde das Wort in dem Zusammenhang mit Kirche und Facebook richtig deplatziert. Die Kirche biedert sich nicht an, viele Gemeinden und junge Menschen kommunizieren über die neuen Möglichkeiten – wer das für „anbiedern“ versteht – hat das ganze Thema nicht verstanden – oder will es nicht verstehen. Das finde ich sehr schade, und ich könnte wetten – das wäre sogar nicht im Sinne von Jesus oder von Martin Luther.
Die kommenden Tage bin ich auch zu Besuch in Stuttgart beim Kirchentag und werde mich dort mit Menschen unterhalten, die sich darüber auch beruflich beschäftigen, ich hoffe ich werde von einigen ein paar Statements oder Interviews erhalten und dann auch hier veröffentlichen. Damit vielleicht das kleine gallische Dorf namens Kirchenbezirk in Tübingen versteht, was draußen in der großen weiten Welt passiert..
Was sagt ihr zu dem Thema? Lasst es mich wissen und kommentiert eure Meinung hier. 🙂
Unfassbar peinlich, was die(se) Kirch dort abzieht. Die haben es echt nicht verstanden.
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